Seelenverwandte aus Fernost und Mittelmeerraum
Vollmundig legt sich die zuckersüße Klebrigkeit schmelzenden
Baisers auf die Zunge, durchdrungen von einer ganz bestimmten, feinen,
würzig-frischen Note – und gerade dieser kontrastierende Geschmack macht das
Gebäck so interessant. Dafür verantwortlich ist Anis, der den Anisplätzchen aus
Eischnee ihren Namen verleiht und zur Weihnachtsbäckerei einfach dazugehört!
Seit der Antike wird Anis in Europa genutzt. Pimpinella anisum l., so der
lateinische Name, ist eine einjährige Doldenpflanze von etwa 50 bis 60
Zentimetern Höhe, die auch im heimischen Kräutergarten kultiviert werden kann.
Aus ihren kleinen, weißen Blüten bilden sich die etwa zwei Millimeter großen
Aniskörper, die zur Verfeinerung vieler Gerichte und Backwaren verwendet
werden. Der heute weltweite Anbau hat seine Wurzeln im Mittelmeerraum, wo der
Anis ursprünglich zu Hause war. Spanien und Italien behaupten sich als
anbaustärkste Länder. Ganz anderer Abstammung ist der Sternanis (lateinisch:
Illicium Verum Hook, Fil.), in Deutschland erst seit dem Ende des 18.
Jahrhunderts genutzt. Er ist die Frucht eines immergrünen Baumes aus Südchina,
der sechs bis zehn Meter hoch werden kann. Sein Anbau beschränkt sich auf
Plantagen in Südostasien. Die Ernte findet bis zu dreimal im Jahr statt.
Optisch sind die beiden Gewürze völlig verschieden.
Die winzigen
Doppelspaltfrüchte des Anis haben eine dunkle Farbe irgendwo zwischen Braun,
Grau und Grün und eine matte Oberfläche. Ungleich attraktiver ist der
Sternanis, der nicht nur in der Weihnachtszeit auch gerne als Fotomotiv genutzt
wird. Er hat in der Regel acht halb geöffnete kleine Taschen,
„Balgfruchtkapseln“, die strahlenförmig auseinander laufen. Jede von ihnen
offenbart ein glattes, glänzendes, rotbraunes Samenkorn. In der Küche können
die beiden Gewürze miteinander ausgetauscht werden, wenn auch Sternanis ein
wenig voller und schwerer schmeckt als Anis. Sie sind botanisch gesehen nicht
verwandt, dennoch ist beiden fast der gleiche, eindringliche Geschmack eigen.
Das liegt daran, dass beide das ätherische Öl Anethol enthalten. Seine Note
kann ganz unterschiedliche Lebensmittel abrunden. Lebkuchen, Pfeffernüsse, Printen,
Honigkuchen und Anisplätzchen sind typische Beispiele dafür, dass Anis und
Sternanis in der Vorweihnachtszeit Hochkonjunktur haben. Aber auch einige
herzhafte Gerichte lassen sich mit Anis hervorragend abschmecken, etwa
Kochfisch, Gurkensalat und Rotkraut. Für Gebäck gilt: Es sollte vor dem Verzehr
zumindest eine Woche lagern, da sich dann erst der Geschmack voll entfaltet.
Stillende Mütter dürfen sich übrigens eine Extra-Portion genehmigen, denn
Anethol kurbelt die Milchbildung an.
Text/Quelle: Johanna
Thelemann, www.aid.de